Leder-, Leim- & Filzherstellung
Das Technikmuseum steht am Platz der früheren Leimfabrik Nöll, die 1972 geschlossen wurde. Die Hautleimherstellung, verbunden mit der Produktion von Leder und Filz, hatte in früher Freudenberg eine große Bedeutung. In einer Ausstellung mit vielen Bilddokumenten wird die Arbeitsweise dieser drei Handwerkszweige beschrieben. Die Herstellung des Hautleimes in der Leimfabrik Nöll ist in einer umfangreichen Dokumentation beschrieben. Link
Die Ausstellung ist inzwischen „in die Jahre gekommen“. Daher ist geplant, sie neu zu gestalten und um eine Darstellung der früheren berühmten Freudenberger Stahlhämmern zu ergänzen. Sobald der Förderbescheid des Landes in NRW eingetroffen ist, wird mit der Arbeit begonnen.
Ein Blick zurück
Das Verfahren, aus Tierhautabfällen, die in den Gerbereien anfielen, Leim herzustellen, ist schon seit Jahrhunderten bekannt. Daher war es nur folgerichtig, dass sich im Umfeld der einstmals sehr bedeutenden Freudenberger Lederfabriken auch Hautleimhersteller ansiedelten. Die Dampfmaschine leistete bei der Produktion des Hautleimes einen wichtigen Beitrag, wie die folgende Beschreibung der Herstellung des Leimes deutlich macht:
Rohstoffe
Ausgangsstoff ist die tierische Rohhaut in verschiedenen Qualitäts- und Zustandsformen, die mit dem Sammelausdruck „Leimleder“ bezeichnet wird, obwohl es sich nicht gegerbte Haut- und Fellreste handelt. Diese Abfälle stammen vorwiegend aus Gerbereinen und in geringeren Mengen aus Schlachthöfen.
Kälkung
Im ersten Arbeitsgang wird das Leimleder in Gruben zur Konservierung und Lockerung der Faserstruktur in einer Kalkmilchbrühe gelagert. Dieser Vorgang wird auch als Äscherung bezeichnet.
Waschvorgang
Die im Leimleder entstandenen Kalkverbindungen würden die Weiterverarbeitung stören. Deshalb müssen diese durch einen intensiven rund 48 Stunden dauernden Waschvorgang unter ständiger Zufuhr von Wasser entfernt werden. Dabei rotiert in runden Waschbecken mit ca. 6 Meter Durchmesser um eine zentrale senkrechte Achse eine mit Schaufeln versehene Walze. Diese wird von der Dampfmaschine angetrieben. Die letzten Spuren des Kalks werden durch Zugabe von Schwefelsäure in das Waschwasser neutralisiert.
Ausschmelzprozess/Siedevorgang
Anschließend wird das Leimleder in großen oben offenen Siedebottichen mit Wasser angesetzt, mit Dampf erhitzt und zur Ausschmelzung (Umwandlung des im Leimleder vorhandenen Kollagens in eine dünne Leimbrühe) gebracht. Sobald diese Dünnbrühe einen Leimgehalt von etwa 4 bis 7 Prozent erreicht hat, wird der erste „Abzug“ in einen Sammel-behälter gefüllt. Dieser Vorgang wird bei steigenden Temperaturen solange wiederholt bis der Ausschmelzungsprozess abgeschlossen ist. Es können so bis zu 7 und mehr Abzüge erfolgen, bis das Kollagen vollständig umgewandelt ist.
Durch Filtereinrichtungen werden dieser Dünnbrühe Fett und andere unerwünschte Verunreinigungen entzogen. Auch werden hier schon u. a. Mittel zur Konservierung des Leims zugegeben.
Konzentrierung der Dünnbrühe
Um der noch dünnen Leimbrühe vor der Trocknung möglichst viel Wasser zu entziehen wird sie in einem Vakuumverdampfer, der mit dem Abdampf der Dampfmaschine betrieben wird, auf bis zu ca. 30 Prozent Leimgehalt eingedickt. Zur Erhöhung der Beständigkeit gegen Zersetzung wird hier nochmals Konservierungsmittel zugegeben.
Trocknung
Die eingedickte Leimbrühe wird in rechteckige, ca. 90 cm lange, 20 cm breite und 12 cm hohe Metallkästen gefüllt und bildet nach dem Erkalten in einem Kühlraum einen Gallertblock, der aus den Kästen gelöst und in einer Schneidemaschine in Tafeln geschnitten wird. Diese werden von Hand auf sog. Trockenhorde, dies sind mit einem Drahtnetz bespannte Holzrahmen, aufgelegt. Diese Horden werden zu mehreren Stück über- und nebeneinander mit einem speziellen Wagen in den Trockenkanal gefahren. Dieser wird mit dem Abdampf der Dampfmaschine erwärmt und es wird mit einen von der Dampfmaschine angetriebenen großen Ventilator ein kräftiger Luftstrom erzeugt. Dieser Trocknungsprozess dauert je nach Stärke der Leimtafeln 8 bis 14 Tage. Die fertigen Leimtafeln werden wiederum per Hand von den Trockenhorden abgenommen.
Endverarbeitung und Verwendung des Leims
Der fertige Leim aus jedem abgeschlossenen Siedevorgang, auch „Sud“ genannt, wird nach seiner Fertigstellung auf seine Eigenschaften, wie Klebkraft und Fließfähigkeit, hin untersucht. Bei Bedarf werden die Leime der einzelnen Sude untereinander gemischt, um eine möglichst gleichmäßige Qualität zu erhalten.
Je nach Kundenwunsch wurden die Leimtafeln in Jutesäcke verpackt oder zuvor in einer Mühle (Hammerschlagmühle) zu Körnerleim gemahlen und ebenfalls in Jutesäcke verpackt.
Ein großer Teil der Gallertblöcke wurde zu sog. Kristallleim verarbeitet. Hierbei wird die Gallerte mit einem elektrisch betriebenen Schneckenmahlwerk (Fleisch-Wolf) zerkleinert. Die so entstandenen Leimkrümel, werden in einer vom Abdampf der Dampfmaschine beheizten Darrenanlage getrocknet. Diese Anlage besteht im Wesentlichen aus einem Betonbecken, dessen Boden als ein stabiles Drahtgitternetz ausgebildet ist. Durch dieses strömt die von Ventilatoren bewegte erwärmte Luft durch die Leimkrümel und es entsteht der Hautleim als Granulat, dem sog. Kristallleim. Der Versand zum Kunden erfolgt ebenfalls in Jutesäcken.
Abnehmer des Leims waren die Möbelindustrie, Tischlereien, Schleifmittel- und Kleberollen-hersteller, Zündholzfabriken und weitere holzverarbeitende Industriebetriebe.
Nebenprodukte bei der Hautleimherstellung
Das im Herstellungsprozess beim Ausschmelzen/Siedevorgang herausgefilterte Leimfett wurde in einem vom Abdampf der Dampfmaschine beheizten Lagertank gesammelt und an Herstellerfirmen von Wasch- und sonstigen Reinigungsmitteln weitergegeben.
Die ebenfalls beim Ausschmelzen/Siedevorgang in den Siedebottichen anfallenden Leimkesselrückstände, eine zähe und kompakte Masse, wurde an eine Düngerfabrik geliefert, die daraus einen hochwertigen und begehrten Dünger herstellte.
Die an den Fellresten teilweise noch vorhandenen Tierkörperhaare, insbesondere die
längeren Haare an Rinderschwänzen und Ohren fanden bei der Herstellung von hochwertigen Pinseln und Bürsten Verwendung.
Die Abfälle der tierischen Haut wurden also schon damals nahezu restlos zu wirtschaftlich wichtigen Produkten weiterverarbeitet – ganz im Gegenteil zur heutigen „prozessoptimierten“ Wegwerfgesellschaft.
Schlussbetrachtung zu dem Herstellungsvorgang
Diese kurze Beschreibung der einzelnen Produktionsschritte zeigt auch, in welch engem Zusammenhang die Herstellung von Hautleim mit der Nutzung der Dampfmaschine und des dafür erzeugten Dampfes gestanden haben.
Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass mit dem Abdampf der Maschine die Büros und sonstigen Nebenräume der Leimfabrik beheizt worden sind.
Außerdem hat die Dampfmaschine einen 30 KVA-Generator zur Herstellung von Eigenstrom für die Fabrik und auch zur Einspeisung in das öffentliche Stromnetz angetrieben. Erinnert dies nicht ein wenig an die heute gebräuchlichen Solarzellen auf dem Dach?
Abnehmer des Leims waren die Möbelindustrie, Schleifmittel- und Zündholzhersteller sowie die Papierindustrie.
Die Dampfmaschine hatte bei der Herstellung von Hautleim also eine mehrfache Funktion:
Die von der Maschine erzeugte Antriebskraft wurde über Treibriemen aus Leder, teils hölzerne Riemenscheiben und viele Meter lange Metallwellen zu den einzelnen Maschinen geleitet. Dieses System der Kraftübertragung wird „Transmission“ genannt und kann noch heute in der Schauwerkstatt des Technikmuseums im Echtbetrieb betrachtet werden.
Die Dampfmaschine trieb also nicht nur die im vorstehenden Kapitel beschriebenen Maschinen und Geräte an, sondern diente mit ihrem Abdampf zur Beheizung von Produktionsgeräten und Räumen.